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Mittwoch, 13. August 2008

Arme Kinder haben schlechtere Noten

Als ich vor bald vierzig Jahren Lehrer wurde, galt ein katholisches Mädchen "armer" Eltern in bayrischen Landkreisen als besonders benachteiligt im deutschen Schulsystem.
40 Jahre später hat sich weniger als notwendig geändert: Eine Studie der Universität Mainz, von der heute im WIESBADENER KURIER berichtet wurde und an der die Schule teilgenommen hat, ist es wert, diskutiert zu werden.

Vom 13.08.2008

WIESBADEN Eine aktuelle Studie im Auftrag der Stadt Wiesbaden zeigt, dass arme Kinder in der Grundschule durchschnittlich eine Note schlechter sind als reiche Kinder.
Von Patrick Körber

Kinder aus sozial schwachen Familien haben weit schlechtere Bildungschancen als Kinder aus sozial besser gestellten Familien. Das zeigt eine Studie, die vom Amt für Soziale Arbeit in Auftrag gegeben worden ist. Das Team um den Soziologie-Professor Stefan Hradil von der Uni Mainz hat eine Vollerhebung der Wiesbadener Grundschüler der vierten Klasse im Schuljahr 2006/2007 durchgeführt.

Die Leistungen von Kindern aus der Unterschicht sind in Deutsch und Mathematik im Durchschnitt mindestens eine ganze Note schlechter als die der Kinder aus der Oberschicht. Bekommt ein Kind aus der Unterschicht durchschnittlich in Deutsch eine 3,3, erreicht ein Oberschichten-Kind die Note 2,2.

Die Wissenschaftler haben auch untersucht, wie sich der Migrationshintergrund bemerkbar macht. Hier zeigt sich, dass Kinder, bei denen mindestens ein Elternteil im Ausland geboren ist, nur etwa 0,2 bis 0,3 Notenpunkte schlechter als einheimische Kinder der selben Sozialschicht sind. Bei den Mathematiknoten sind Kinder mit Migrationshintergrund sogar etwas besser als Kinder aus deutschen Familien. Auch die weiteren Ergebnisse der Studie belegen, dass zwar die Sozialschicht einen Einfluss auf die Bildungschancen hat, aber nicht der Migrationshintergrund. Dennoch sind im Verhältnis mehr Kinder aus ausländischen Familien bei Bildungschancen benachteiligt, eben weil hier der Anteil der in Armut lebenden Kinder größer ist. Von Schülern mit Migrationshintergrund lebt laut Befragung fast die Hälfte (46 Prozent) in Armut. Bei Kinder ohne Migrationshintergrund sind es lediglich 17 Prozent.

Soziale Ungleichheit zeigt sich laut der Untersuchung beim Übergang von der Grundschule auf die Sekundarstufe I. Mehr als zwei Drittel der Kinder aus der Oberschicht erhalten eine Empfehlung fürs Gymnasium (81 Prozent). Doch nur 14 Prozent der Kinder aus der Unterschicht wird das Gymnasium als Bildungsweg empfohlen. Je höher das Einkommen der Eltern ist, desto unwahrscheinlicher ist eine Empfehlung für die Hauptschule. In der Oberschicht kommt eine Hauptschulempfehlung nahezu nicht mehr vor.

Wie der Bericht zu Bildungschancen feststellt, ist der deutlichste Indikator für eine Gymnasialempfehlung das Bildungsniveau der Eltern. Wenn beide Elternteile über maximal einen Hauptschulabschluss verfügen, liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Gymnasialempfehlung bei 18,1 Prozent. Wenn mindestens ein Elternteil das Abitur gemacht hat, steigt die Wahrscheinlichkeit auf 62,5 Prozent. "Die Bildungsempfehlungen für Wiesbadener Grundschüler gehen also deutlich mit dem Bildungs- und Einkommenshintergrund der Eltern einher", schreiben die Wissenschaftler.

Die Forscher sind in ihrer Untersuchung noch einen Schritt weiter gegangen. Sie haben untersucht, wie die Bildungsempfehlungen bei gleichen Durchschnittsnote sind, die Kinder aber aus einer anderen Sozialschicht kommen: Bei der Durchschnittsnote 2,0 erhalten 75 Prozent der Kinder, deren Eltern aus der niedrigsten Einkommens- und Bildungsgruppe kommen, eine Empfehlung fürs Gymnasium. Bei der höchsten Gruppe sind es mit 96,5 Prozent fast alle Kinder. Noch drastischer ist die unterschiedliche Behandlung bei einer Durchschnittsnote von 2,5. Nur 19,5 Prozent der Kinder aus der Unterschicht werden fürs Gymnasium empfohlen. Kinder aus der Oberschicht werden zu 70 Prozent für den höchsten Bildungsweg empfohlen. Der Migrationshintergrund hat keinen Einfluss auf die Bildungsempfehlung. Die Sozialwissenschaftler nennen für die Ungleichbehandlung verschiedene mögliche Ursachen: "Bewusste oder unbewusste Diskriminierung der Klassenlehrer", andererseits könnten aber auch verschiedene Bildungswünsche der Eltern zum Tragen kommen. Gebildete und einkommensstarke Eltern strebten auch bei schlechteren Leistungen höhere Bildungsempfehlungen an als Eltern aus bildungsfernen Schichten.

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