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Montag, 28. September 2009

Auf dem Kinderbauernhof




Die Klasse 2c ist zu beneiden: Ihre Lehrerin hat sich nach langem Bemühen einen Platz für ihren Kinder auf dem Kinderbauernhof gesichert. Zwar verbindet uns schon eine langwährende Zusammenarbeit, aber die Plätze sind knapp - die gute Idee findet halt viele begeisterte Abnehmer.
Was ist und macht der Kinderbauernhof. Wir geben eine Selbstdarstellung hier wieder:

Kinder aus Wiesbadens KiTas und Schulen haben es gut: Die Stadt hat für sie einen Kinderbauernhof eingerichtet auf dem sie den Umgang mit Tieren und der Natur ganz nah erleben können. Eine Woche lang erfahren sie, was alles auf einem Bauernhof zu erledigen ist.

Vor den Kindern türmen sich Lauchstangen, Kopfsalat, Schalotten, Lollo-Rossa-Blätter und grüne Kohlköpfe. Jessica sucht die schönsten Köpfe und Stangen aus. Sie und die anderen Kinder wissen genau, wie viel sie in die Futterschale geben müssen. Seit zwei Tagen kommt die Gruppe der KiTa Wiesbaden-Kostheim morgens gegen halb zehn mit ihren Erzieherinnen auf den Hof. Zuerst wird gefrühstückt. Gleich im Anschluss erklärt Giesela Lohse, stellvertretende Leiterin des Bauernhofes, was heute alles auf dem Tagesplan steht. Zum Beispiel: Tierversorgung, Bienenkunde und Reiten. Dazu hängen an einer Tafel Kärtchen, auf denen alle Aufgaben als Symbole mit Zeitangabe stehen.

Während Jessica zusammen mit vier anderen Kindern die Hühner versorgt, kümmern sich Maxi und Floh um die Kaninchen und den Hamster Elvis. Klara und Chris hingegen teilen sich die Arbeit im Pferdestall: striegeln und ausmisten. Für elf Uhr steht dann reiten auf dem Plan. Darauf freuen sich die meisten. Ein paar Kinder haben gar keine Lust die Tiere zu füttern oder sauber zu machen. Sie toben lieber wild im Heu – auch das gehört dazu. Vielleicht helfen sie ja morgen im Hühnerstall. Auf dem Kinderbauernhof sollen die Kinder nicht nur möglichst selbstständig für sich und mit anderen arbeiten lernen. Sie sollen auch ganz nach ihren Bedürfnissen Erfahrungen mit der Natur und Kultur auf dem Hof machen können.

Die Natur sinnlich begreifen

Tiere füttern und Ställe ausmisten sind nur Teile des Hofalltages. Gartenarbeit, Hauswirtschaftstätigkeiten, Werkstattarbeiten sowie Produktverwertung gehören ebenfalls dazu. Je nach Saison werden Samen gesät, Früchte geerntet oder Unkraut gejätet. In der Holzwerkstatt wird gehobelt und geschliffen. Am Mittag soll Brot im Steinofen gebacken werden. In der oberen Etage des Haupthauses steht ein Webstuhl, an dem die Kinder Wolle verarbeiten. Meist wurde sie vorher von den Kinder mit natürlichen Farbstoffen wie Safran eingefärbt. Die Wolle stammt von den hauseigenen Schafen. Die Kinder sollen den Prozess „vom Tier zum Produkt“ sinnlich erfahren und durch den Umgang mit Feuer, Wasser, Erde und Solarenergie die Natur begreifen.

Ganz wichtig bei der Arbeit auf dem Hof sind Sauberkeit und Hygiene.

Nach dem Füttern werden der Zubereitungsplatz und die Tröge von den Kindern gereinigt und aufgeräumt. „Einen ästhetischen Anspruch stellen wir an die Tierhaltung ebenso wie an die Tierversorgung“ erklärt die Leiterin des Hofes Rita Schneider. Tier und Mensch sollen sich gleichermaßen auf dem Hof wohlfühlen. Das lernen die Kinder hier und dafür sorgen sie auch.

An einem Tag des Wochenaufenthaltes ist die Arbeit speziell mit Montessori-Material vorgesehen. Dazu liegen die klassischen Utensilien bereit. Die Montessori-Pädagogik ist fester Bestandteil des Kinderbauernhofes. Zum Beispiel sind für die „Übungen des täglichen Lebens“ Tabletts angelegt, die mit entsprechenden Materialien oder Werkzeugen gefüllt sind. Für die Blumenpflege ist das beispielsweise die Gießkanne oder die Blumenschere, Erde usw. Symbole auf den Tabletts beschreiben den Inhalt. Sobald die Übung beendet ist, wird das Tablett an seinen Platz zurückgestellt.


Am Anfang war... die Idee

Entstanden ist der Kinderbauernhof Anfang der neunziger Jahre. Zwei Wiesbadener Pädagogen hatten sich überlegt, wie Kinder, die in der Stadt groß werden, das Leben auf dem Bauernhof kennen lernen können. Sie wollten einen Raum schaffen, in dem die Kinder möglichst selbstständig lernen, mit Tier und Natur umzugehen. Eine still gelegte Gärtnerei bot sich dafür an. Das Gelände war seit Jahren nicht bewirtschaftet worden, Haupthaus und Gewächshäuser standen kurz vor dem Verfall. Zusammen mit der Stadt konnte ein Pachtvertrag abgeschlossen werden. Nach und nach wurden das Grundstück zu einer Erlebnis- und Lernwelt umgebaut. Heute hat sich der Kinderbauernhof bei Wiesbadens Kindergärten und Grundschulen zu einer beliebten Einrichtung entwickelt. „Die Termine sind bis 2010 ausgebucht“, bestätigt die Leiterin Rita Schneider.

Bevor die Kindergruppen ihren Wochenaufenthalt starten, sind ihre Betreuer/ -innen verpflichtet, an einem Einführungsseminar teilzunehmen. An einem Nachmittag lernen sie den Ablauf des Hofes kennen. Sie sehen sich die einzelnen Stationen an, füttern die Tiere und machen die Ställe sauber. Außerdem werden die Betreuer/-innen in die Tierkunde eingeführt. Die formalen Angelegenheiten werden ebenfalls an diesem Nachmittag erledigt. Ziel ist es, dass sie während des Aufenthaltes zusammen mit den Kindern die Arbeitsabläufe möglichst selbstständig erledigen.

Der Kinderbauernhof hat neben dem pädagogischen Bereich auch einen betrieblichen Bereich, der von hauswirtschaftlichen und landwirtschaftlichen Helfern organisiert wird. Die erwirtschafteten Produkte wie Eier, Wolle, Honig, Salate werden von Frühling bis Herbst an einem Markttag in der Woche verkauft oder an Kindertagesstätten weitergegeben. Einiges bleibt auf dem Hof zur Verpflegung der Kindergruppen. Mit den Einnahmen kann ein Teil der Betriebskosten gedeckt werden, Futter zum Beispiel. Der Großteil der Betriebskosten und die Kosten für die Einrichtung wird jedoch von der Stadt getragen.

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