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Sonntag, 17. Mai 2009

Auslese nach vier Jahren

Unsere Umfrage beschäftigt sich mit einer der Grundfragen unseres Schulwesens: Ist es gerechtfertigt, Kinder im Alter um 10 Jahre nach ihrer Leistungsfähigkeit auszuwählen und wesentlichen Einfluss auf ihre Lebenschancen zu nehmen. Konkret: Was halten Sie von der Trennung nach Leistungsgruppen nach nur vier gemeinsamen Grundschuljahren?

Dazu - gleichsam zur Einstimmung einen nicht unparteiischen Bericht aus den Nürnberger Nachrichten, den ich im Internet fand.

Lernen von Finnland: «Schluss mit der Auslese« an Schulen
Ranghoher Schulberater erklärt, warum sein Land so viel besser abschneidet
Lernen von Finnland: «Schluss mit der Auslese« an Schulen

NÜRNBERG - Wenn deutsche Lehrer ins Land des Pisa-Siegers Finnland pilgern, fühlen sich finnische Kollegen oft wie auf einer Zeitreise - zurück in die 60er und 70er Jahre. Nun tourte einer der ranghöchsten Beamten im finnischen Bildungswesen, Rainer Domisch (ein Deutscher!) auf Einladung der Friedrich-Ebert-Stiftung durch Bayern. Auch in Nürnberg machte er Station.

«Was machen Finnlands Schulen besser?« Rainer Domisch mag die Frage gar nicht recht, auch vom Pisa-Ranking hält er nicht viel. «Das ist etwas unfinnisch«, sagt er. Den Finnen reicht es, wenn sie besser als die Nachbarn in Schweden sind. Ansonsten orientieren sie sich lieber an den eigenen Ansprüchen und fragen andersherum: «Warum müssen andere so viel schlechter sein?«

Für diesen Schulvergleich gibt es kaum bessere Experten als Domisch. Der gebürtige Schwabe war Lehrer in Baden-Württemberg, heiratete 1969 eine Finnin und wechselte dann zehn Jahre später an die Deutsche Schule in Finnland. Zuerst leitete er die Fortbildung der Deutschlehrer, heute ist er als Botschaftsrat einer der wichtigsten Bildungsberater Finnlands.

«Sehr traurig«

Den Zustand des deutschen Schulwesens findet er «sehr traurig«, weil sich dort in Sachen Qualitätsmanagement «seit 30, 40 Jahren nichts getan hat«. In Finnland erlebt er das ganz anders. «Schulentwicklung ist dort eine Daueraufgabe«, sagt er.

Anders als in Deutschland wird der Alltag der Schulen auch nicht aus Ministerien feingesteuert. Selbst die staatliche Schulinspektion wurde abgeschafft. Zuständig für die Schulen sind die Kommunen. Die Umsetzung der national vorgegebenen pädagogischen Ziele ist Sache der Schulen. «Qualitätsentwicklung muss an der Schule verankert sein«, sagt Domisch.

Kein Ranking

Die Lehrer sollen sich verantwortlich fühlen dafür, dass ihre Schüler optimal gefördert werden. Evaluation, hierzulande oft ein Reizwort, gehört in Finnland zum guten Ton. Ein Schulranking, wie in einigen der bundesdeutschen Länder, gibt es dagegen nicht. Die Schulen erhalten nur ihr Ergebnis und den Landesdurchschnitt. Dann sehen sie, wo sie stehen.

Domisch will sich nicht zu sehr in die Politik einmischen, obwohl er vor zwei Jahren zum Schattenkabinett der dann gescheiterten hessischen SPD-Kandidatin Andrea Ypsilanti gehörte. Nur so viel rät er: «Deutschland muss Schluss machen mit der Auslese.« Das dreigliedrige Schulsystem würde er sofort aufgeben.

Klassenschnitt: 15 Schüler

Natürlich gibt es auch an Finnlands Schulen Probleme. Auch dort sind die Jungen schlechter als die Mädchen, richtet übermäßiger Medienkonsum Schäden an. Doch im Vergleich sind die Zustände in den Klassen dennoch – aus deutscher Sicht – paradiesisch.

Das fängt schon bei den Klassengrößen an. Mehr als 25 Kinder dürfen es nicht sein. Normalerweise sind es aber eher 15 Schüler. Und, wenn es speziellen Förderbedarf gibt, kann eine zweite Lehrkraft, ein Schulpädagoge oder auch ein Neurologe zugezogen werden.

Bis zur neunten Klasse sind alle in einer gemeinsamen Schule. Schnellere Schüler lernen keinen anderen Stoff, aber sie dringen viel tiefer in die Materie ein. Auch gehört es zum Alltag, dass gute Schüler den langsameren den Stoff erklären – und es klappt. Und natürlich gibt es Ganztagsschulen mit rhythmisiertem Unterricht, keine 45-Minuten-Häppchen.

«Man muss Menschen mögen«

Zentral ist aber die Auswahl der Lehrkräfte. «Ganz wichtig sind die vier Ms«, sagt Domisch: «Man muss Menschen mögen.« Pro Jahr werden regelmäßig nur zehn Prozent der Lehramtsbewerber genommen. Andere versuchen es oft mehrfach, bevor sie Lehramt studieren dürfen. Warum? «Man ist der Meinung, dass die Kinder so wertvoll sind, dass man nur die besten Bewerber nimmt.«

Georg Escher

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