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Montag, 19. Januar 2009

Wer kennt ihn nicht?

Im Wiesbadener Tagblatt erschien ein Artikel von Frau Baade über Sergio Tesei, italienischer Wirbelwind, der als Küster in St. Klara arbeitet. Jeder, der ihn kennt, ist auf eigene Weise beeindruckt. Die Schulleitung verbindet eine Jahrzehnte währende Freundschaft mit ihm, war doch der Schulleiter einer seiner Vorgänger im Amt.

Mach weiter so, Sergio, und bleib gesund!
Hier der Artikel für diejenigen, die ihn noch nicht lesen konnten.

Suergio Tesei lebt und arbeitet seit mehr als 4t0 Jahren in Deutschland/Der Ruhestand wird aber in Italien verbracht

Klarenthal Auch in den Vororten leben seit Jahren viele Bürger, die ursprünglich aus dem Ausland kamen und längst heimisch geworden sind. In der Serie "Zweite Heimat" stellen wir einige von ihnen vor. Diesmal haben wir uns mit Sergio Tesei getroffen, der in Klarenthal lebt und arbeitet.

Von Elke Baade

Er war gerade mal 20 Jahre alt, als er in Deutschland eintraf. Das war 1965, und Sergio Tesei kam zunächst nach Karlsruhe. Als einer der vielen Italiener, die im Rahmen der Anwerbung von Arbeitskräften in der Bundesrepublik landeten. Seinen Arbeitsvertrag hat er natürlich heute noch, ausgestellt für eine Stelle als "Schlosser für die Gestellfertigung" bei Siemens & Halske. In Mailand hatte der junge Mann eine spezielle Schule besucht, die in mehreren Berufen ausbildete und von großen deutschen Unternehmen unterstützt wurde. Sergio wurde Maschinenschlosser: "Das hat mir nie gefallen, aber ich konnte ja nicht auswählen, musste das nehmen, wo es Platz gab", sagt er heute. Eine Stelle bekam er nach der einjährigen Ausbildung aber nicht, und als der Militärdienst drohte, entschied er sich dann doch lieber für Deutschland. In Verona bekam er nach Untersuchung und diversen Formalitäten von einer deutschen Kommission die Fahrkarte für die Zugfahrt. Hatte er keine Angst, so ganz ohne Sprachkenntnisse? Nein, denn er wusste von anderen Männern aus seinem Heimatörtchen San Genesio nahe Ancona (Provinz Marken), dass es gut sei in Deutschland, "und dass es dort große Städte und viele Lokale gibt", erinnert sich Sergio Tesei an die Anfänge. Nur das Wetter war ihm nicht geheuer.
Nach einem halben Jahr in Karlsruhe - Stundenlohn 3,10 DM, 41,5 Stundenwoche - stellte er sich 1966 bei den US-Amerikanern in Wiesbaden vor und wurde für die Putzkolonne in Camp Lindsey genommen. Dort wohnte er zusammen mit Italienern, Griechen, Spaniern, Portugiesen und Deutschen in einer Kaserne - und kümmerte sich fortan um die Büros: Fenster putzen, Papierkörbe leeren, Toilettenpapier wechseln. "Keine schwere Arbeit", sagt Tesei, dafür gab es etwa 350 DM netto pro Monat. Kosten für Unterkunft und Verpflegung waren schon abgezogen. Das Frühstück mit knapp 500 Leuten war ihm sehr fremd: Eier, Speck und Toast, Milch, Kakao, Tee - und dünner Kaffee, erzählt er grinsend. Auch das Mittag- und Abendessen war nicht so recht nach seinem Geschmack, vieles mochte er einfach nicht. Und die Spaghetti hätte er am liebsten an die Wand geworfen, so verklebt waren sie meistens.
Klar, dass der junge Sergio und seine italienischen Freunde noch anderes im Sinn hatten. Zum Flirten und Tanzen gingen sie gern ins Park Café, dort spielten oft Kapellen aus ihrer Heimat. Und dort lernte Sergio dann 1968 die Friseurin Anita aus der Webergasse kennen. Es dauerte ein bisschen, dann stellte er sie seinen Eltern in Italien vor, alles klappte bestens, nur die Verständigung zwischen seiner deutschen Freundin und der Familie war schwierig: "Eine Quälerei, ich musste ja immer übersetzen", erzählt Tesei und verzieht das Gesicht. Er hatte sich von Anfang an bemüht, schnell Deutsch zu lernen: "Man kommt nicht weiter ohne die Sprache, und es wäre auch langweilig", sagt er heute. Eines dürfe man nicht machen: in Italienisch denken und dann übersetzen. "Daraus wird dann Trappatoni!", meint er lachend.
1969 wurde geheiratet, Sohn Enrico kam auf die Welt. Von den 550 DM, die er - mittlerweile als Autoschlosser - bei den Amerikanern verdiente, konnte die kleine Familie keine großen Sprünge machen, wohnte sie doch inzwischen in einer kleinen Wohnung am Gräselberg. Bis 1970 blieb er den Amis treu, dann ging´s aufwärts: Lange Jahre arbeitete er beim Autohaus Schütz in Dotzheim, für knapp 800 DM: "Das war nicht die Welt, aber es hat gereicht". Seit 1980 ist Klarenthal sein Zuhause, dort ist er Hausmeister und Küster in der Kirchengemeinde St. Klara und lebt dort mit seiner Frau in einer Dienstwohnung. Und ist bei vielen Klarenthalern gut bekannt. "Ich komme nicht vorwärts - ob ich putze oder herumlaufe", erzählt er schmunzelnd, immer trifft er Leute, die ein bisschen plaudern wollen. Da sind die Mütter, die ihre Kleinen in der Kita St. Klara abholen - und die er selbst als Kinder erlebt hat. Oder die vielen Leute, die er durch die Klarenthaler Kulturtage kennt.
Früher, als das städtische Gemeinschaftszentrum noch nicht existierte, da habe er viel mehr zu tun gehabt, da war das Gemeindezentrum St. Klara "die" Anlaufstelle für Veranstaltungen jeglicher Art - von Elternabenden über Ehrungen bis hin zu Partei- und Vereinstreffen. Sergio Tesei war von Anfang an dabei, war und ist Ansprechpartner für alle. In Kita und Gemeindezentrum und auch bei den drei Arztpraxen im Gebäudekomplex nach dem Rechten sehen, kleinere Reparaturen, Haustechnik, Heizung, Gartenarbeiten, bei Festen Plakate verteilen, Essen und Trinken organisieren, Bänke und Tische bereitstellen, sich um Bühne und Technik kümmern, die Kegelbahn betreuen - und natürlich Gottesdienste vorbereiten. Die gute Seele hat viel zu tun, über die Feiertage wegfahren geht nicht, dafür gibt es mal einen freien Tag in der Woche.
Sergio Tesei fühlt sich wohl mit seiner Arbeit und in Klarenthal. Ortsvorsteher Gunther Ludwig hat ihm vor einigen Jahren die Bürgermedaille überreicht - denn ohne den rührigen Mann aus Italien ginge vieles gar nicht. In etwa einem Jahr wird man sich nach einem Nachfolger umsehen müssen. Denn dann geht der Hausmeister und Küster in Rente - und wird mit seiner Anita nach Italien ziehen. "Das ist ökonomisch besser", erklärt Sergio Tesei. Vor einigen Jahren haben die beiden in seinem Heimatort eine kleine Wohnung in einem alten, umgebauten Palazzo gekauft, mit Blick aufs Meer. Und mit der nicht gerade üppigen Rente kämen sie in Italien besser zurecht, meint Tesei. Auch seine Frau freut sich darauf, hat sie doch außer ihrem Sohn, der als Unternehmensberater viel unterwegs ist, keine Verwandten mehr - und Italienisch spricht sie auch längst. Ihre ersten Brocken hat sie übrigens im Friseursalon des Heimatortes ihres Mannes gelernt, wo sie im Urlaub aushalf.
Künftig ist dann also Urlaub in Wiesbaden statt in Bella Italia angesagt. Freunde gibt es hier genug, bei denen das Paar dann wohnen kann. Und die Heimat - die ist für Sergio Tesei ohnehin hier wie dort. Zu Streuselkuchen, Frankfurter Kranz und Hirschbraten mit Preiselbeeren wird der Italiener dann allerdings nur noch selten kommen.

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