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Dienstag, 8. Mai 2007

Auch an unserer Schule ein Problem


"Respekt vor fremdem Eigentum fehlt"

Katastrophale Zustände in Schultoiletten/ Rektoren beklagen Werteverfall

Vom 08.05.2007

WIESBADEN Ein unangemeldeter Besuch in sechs Schultoiletten - das Ergebnis ist verheerend. Die hygienischen Zustände sind grauenhaft. Klopapier fehlt. Schulleiter beklagen den Werteverfall.
Von

Patrick Körber

Es ist ekelerregend: Der Klodeckel der barrierefreien Toilette ist zugeklappt, in der Mulde des Deckels steht ein gelber Urin-See. Überall riecht es nach Urin, in den Kloschüsseln finden sich braune Hinterlassenschaften. Über den Gebrauch einer Klobürste wurde hier in der Schultoilette der Gutenbergschule, die vorwiegend von Fünft- und Sechstklässlern genutzt wird, nicht nachgedacht. Das Bild, das sich am Tag des unangekündigten Tests darbietet, ist Alltag, bestätigen Schüler.

Das Gymnasium, das einen durchaus guten Ruf in Wiesbadens Schullandschaft genießt, schnitt beim Schultoilettentest des Kurier am schlechtesten ab. Der Zustand der Toiletten sei ein Dauerthema, sagt Schulleiter Gerhard Schlotter. Kontrollen seien nur punktuell möglich. Es seien schon Schüler beim Pinkeln auf den Boden erwischt worden. "Eltern erziehen Kinder nicht mehr, wie es vor 30 Jahren üblich war", klagt der Schulleiter und stellt fest, dass der Vandalismus in den letzten Jahren zugenommen habe. "Der Respekt vor öffentlichem Eigentum fehlt einigen Schülern. Es gibt kein Patentrezept", ist Schlotter ein Stück weit hilflos ob der Zustände in den Toiletten.

Der Leiter der Gerhart-Hauptmann-Realschule, Ehrenfried Schuran, spricht von "Defiziten in der Wertevermittlung". "Da sind wir alle gefragt, die an der Erziehung beteiligt sind", sieht er auch sich selbst in der Pflicht. Als er vor 37 Jahren den Schuldienst aufgenommen hat, habe es das Problem der Zerstörung an Schulen noch nicht gegeben.

Fehlverhalten auf den Toiletten hat offenbar weder etwas mit dem Alter, noch der Schulform, noch dem Geschlecht zu tun. Im Oberstufengymnasium Martin-Niemöller lässt der Zustand der Toiletten kaum auf gebildete, schon gar nicht auf volljährige Schüler schließen.

Beschmierte Wände

Die Wände dort sind beschmiert, Kotspuren in der Toilettenschüssel, in einigen der Pissoirs steht Urin. Hingegen ist es auf der Wolfram-von-Eschenbach-Hauptschule trotz anderer großer Defizite wenigstens sauber. Allerdings fehlen dort Klopapier und Seife, und auch fließend Wasser ist in der Jungentoilette Fehlanzeige.

Toilettenpapier findet sich übrigens auf fast keiner Schultoilette. Ein Blick in das Mädchenklo der Eschenbach-Schule macht klar, warum. In Wasser eingeweichtes Klopapier klebt nun zerknüllt an der Wand. Schulleiterin Stephanie Storz-Leopold kann ein Lied vom Unfug mit dem Papier berichten. Schüler verstopften die Toiletten mit ganzen Klopapierrollen. "Wir hatten fast jeden Tag eine Überschwemmung." Das sei aktuell auch der Grund, warum das Wasser am Becken im Jungenklo abgestellt worden sei. Abgesehen davon würden regelmäßig die Armaturen geklaut.

"Fließend Wasser ist für die Händehygiene etwas ganz Wesentliches", sagt Lothar Wendel, stellvertretender Leiter des Gesundheitsamtes. "Das Wasser muss laufen", betont Wendel. Auch Toilettenpapier hält der studierte Mikrobiologe für unverzichtbar. Doch ist es auf den wenigsten Schulklos zu finden. In der Martin-Niemöller-Schule ist teils nicht einmal ein Halter für Klopapier vorhanden. Ebenso Flüssigseife: Fast überall waren am Tag der Kurier-Stichprobe die Seifenbehälter leer. "Das ist die Nachlässigkeit der Reinigungskräfte", meint Stadtschuldezernent Helmut von Scheidt, der wiederum Leiter an der Schulze-Delitzsch-Schule ist. Zudem müsse der Hausmeister kontrollieren, ob Toilettenpapier fehle.

Während es bei einigen Schulen heißt, dass es versäumt worden sei, Toilettenpapier nachzulegen, ist an der Helene-Lange-Schule das Hygiene-Produkt nur im Klassenzimmer auszuleihen. Andere Schulen bauen indes auf Spender im Vorraum - die allerdings nicht immer gefüllt sind.

Wendel vom Gesundheitsamt kennt die Probleme in Schultoiletten. "Für mich ist das Verhalten der Schüler ein Rätsel. Wie kann man Schülern ein richtiges Hygieneverhalten vermitteln?", fragt er sich. Schuldezernent von Scheidt meint, dass man das "leidige Thema" nie hundertprozentig in den Griff bekommen werde. 95 Prozent der Schüler verhielten sich korrekt, nur eine kleine Minderheit verunstalte die Toiletten.

Jährlich gibt die Stadt rund 250 000 Euro für die Sanierung der Schultoiletten aus. "Ein Fass ohne Boden", sagt Rathaussprecherin Ilka Gilbert-Rolke. Jede Toilette würde ein Mal täglich gereinigt. "Es reicht aber eine Pause, um den Zustand auf den Kopf zu stellen." Das Gesundheitsamt überprüft alle fünf Jahre die Hygiene an den insgesamt 76 Schulen. "Wir gehen aber jedem Hinweis nach", sagt der stellvertretende Gesundheitsamtsleiter.

Beispiel für Sauberkeit

Jedoch gibt es auch ein Beispiel für saubere und gepflegte Schultoiletten. Testsieger ist die Helene-Lange-Schule. Das Klo ist bei unserem Besuch frisch geputzt, keine Graffiti, keine Schmierereien. Selbst der Geruch ist angenehm. "In der Regel ist es bei uns sauber", sagt Schulleiterin Ingrid Ahlring. Ganz sicher ist sie aber nicht, warum es in ihrer Schule gesitteter zugeht. Erklärungsversuche: Zum einen gebe es verstärkte Kontrollen der Toiletten. Fäkalien und Schmierereien würden in den vor einem Jahr sanierten Toiletten sofort weggemacht. Außerdem machen Schüler ihre Klassenräume selbst sauber. "So achten sie mehr auf die Räume." Was kann man also für saubere Toiletten tun? An der Gerhart-Hauptmann-Schule werden die Toiletten seit einem Jahr abgeschlossen. Wer ein Bedürfnis hat, muss sich einen Schlüssel aus dem Klassenzimmer holen. "Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht", berichtet Direktor Schuran. Der Zustand in den Toiletten sei besser geworden.

An der Wolfram-von-Eschenbach-Schule sieht Schulleiterin Storz-Leopold ein Licht am Ende des Tunnels. Nachdem Mädchen nasses Toilettenpapier an die Wand geworfen hatten, sei sie durch die Klassen gegangen, um zu fragen, wer das war. Die Schuldigen hätten sich später dazu bekannt und bereit erklärt, die Fliesen zu reinigen. "Blödsinn macht jeder", zeigt Storz-Leopold Verständnis. "Mit wilden Drohungen erreicht man nichts." Stattdessen wolle sie einen vertrauensvollen Umgang mit den Schülern etablieren. Im September gibt es eine Projektwoche zur Schulverschönerung. Die Schulleiterin erhofft sich davon mehr Wertschätzung für die Schulräume.

An einigen Schulen ist darüber nachgedacht worden, eine Putzkraft vor den Toiletten zu postieren, die quasi Eintritt verlangt. An der Oranienschule wurde jetzt beschlossen, dieses Modell einzuführen. Für eine Toilette soll eine Putzkraft gefunden werden, die 50 Cent pro Besuch kassiert. "Dafür ist es dort garantiert sauber. Wer nichts zahlen möchte, kann weiterhin auf eine der anderen Schultoiletten gehen", sagt Schulleiter Kurt Bussweiler.

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich schlage vor, Herr Schuran beginnt mit der Wertevermittlung erst einmal bei sich und an seiner eigenen Schule. Wo Schüler, die ihre Mitschüler mit Waffen verletzen, mit Drogen handeln oder Autos von Lehrern demolieren, ohne Konsequenzen weiter unterrichtet werden, scheint die Schulleitung wohl wertlos zu sein.

Kugelschreiber hat gesagt…

So sehr ich mich über eine Kommentierung freue, so wenig schätze ich eine anonyme Beschuldigung dieser Art, die ich nur als verletzend bewerten kann.
Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes und des fairen Umgangs miteinander werde ich diesen Kommentar löschen.

Anonym hat gesagt…

Lieber Kugelschreiber,

fragen Sie ihn, fragen Sie die AG Jaguar, fragen Sie die Eltern der Schüler, fragen Sie die Schüler, fragen Sie die Lehrer, was sie darüber wissen und dann bewerten Sie den Kommentar. Da, wo Straftaten nicht einmal mehr an Schulen geahndet werden, darf man sich nicht wundern, wenn Kinder immer gewalttätiger werden. Schlimmer noch, den Schülern wurde verboten, zukünftig die Polizei zu rufen... Das versteht noch nicht einmal mehr die AG Jaguar...

Anonym hat gesagt…

Ich kann dem ersten Kommentar nur zustimmen. Wie würden Sie sich fühlen, wenn Ihre Reifen aufgestochen werden, die Täter bekannt sind, nichts unternommen wird und Sie diese Schüler weiterhin jeden Tag unterrichten müssten? Was werden wohl die anderen Schüler denken und unternehmen im Hinblick auf Respekt gegenüber den Lehrern? Vielleicht hat es an der Rütli-Schule auch so angefangen...

Kugelschreiber hat gesagt…

Es ist ja wirklich nicht das Problem der Geschwister-Scholl-Schule und ihrer Schulleitung, wenn die anonym Kommentatoren mit den Verhältnissen an einer anderen Schule nicht einverstanden sind. Jeder sollte sich doch fragen, ob nicht bei solchen Vorfällen die Zivilcourage aufzubringen ist, die Probleme dort anzusprechen, wo sie entstehen. Und sollte man dort kein Gehör finden, gibt es hervorragende und einfühlsame Unterstützung bei der Wiesbadener Polizei, speziell bei meinem guten Bekannten, Herrn Gores, von der AG Jaguar oder bei deren Bürgerberatung.