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Donnerstag, 19. April 2007

Jedes vierte Kind lebt in Hartz-IV-Haushalt

Amt für soziale Arbeit kann trotz effizienterer Vermittlung die Kosten der Langzeit-Arbeitslosigkeit nicht senken


Im Schatten der Gesellschaft: In Wiesbaden leben überdurchschnittlich viele Kinder in ärmlichen Verhältnissen.
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Vom 19.04.2007

WIESBADEN Trotz anziehender Konjunktur und sinkender Arbeitslosenrate ist in Wiesbaden die Zahl der Haushalte, die von Hartz IV leben, im vergangenen Jahr nicht gesunken. Die Ausgaben für diese Leistungen sind 2006 im Vergleich zum Vorjahr sogar gestiegen.
Von

Christoph Cuntz

Mit mehr als 204 Millionen Euro wurden im vergangenen Jahr Hartz-IV-Empfänger unterstützt, deren Zahl im Dezember bei 29 326 lag. Damit waren die Ausgaben im Vergleich zu 2005 sogar gestiegen. Das von Wolfgang Hessenauer (SPD) geleitete Sozialdezernat führt dies vor allem auf die zahlreichen kostenintensiven Qualifizierungsmaßnahmen zurück, durch die Langzeitarbeitslose wieder fit gemacht werden sollen für den so genannten ersten Arbeitsmarkt. Mehr als 11 000 solcher Qualifizierungen finanzierte die Landeshauptstadt im vergangenen Jahr. Mit einbezogen sind dabei auch die mehr als 3 300 so genannten Ein-Euro-Jobs. Vorrangig entstanden diese bei Beschäftigungsgesellschaften, die rund 400 handwerkliche Hilfskräfte einstellten. 340 Langzeitarbeitslose fanden als Hauswirtschafterinnen in sozialen Einrichtungen einen solchen Job, in Pflegeeinrichtungen wurden 260 Hilfskräfte beschäftigt.

Die Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen ist in Wiesbaden nach Überzeugung des Sozialdezernates auch deshalb notwendig, weil hier Industriebetriebe fehlen, die einfache Jobs anbieten. So gibt es nach Hessenauers Darstellung einen hohen Anteil von Leistungsberechtigten, die selbst bei guter Arbeitsmarktlage derzeit kaum Beschäftigungschancen auf dem Wiesbadener Arbeitsmarkt haben. Dieser sei auf höherwertige Dienstleistungen fokussiert. Der Sozialdezernent fordert deshalb die Unternehmen auf, mehr Arbeitsplätze für gering qualifizierte Bewerber zu schaffen.

Besonders alarmierend: Mehr als ein Viertel der Kinder unter sieben Jahren wachsen in Wiesbaden in einem Haushalt auf, der seinen Lebensunterhalt über Arbeitslosengeld II finanziert. Mit dieser Quote liege die Landeshauptstadt schlechter als der Bundesdurchschnitt, so Julia Brennecke vom Amt für soziale Arbeit. Soziologisch gesehen habe die Landeshauptstadt zwar eine starke Oberschicht, die Mittelschicht sei aber nicht so ausgeprägt wie in anderen Kommunen. So bezieht in Wiesbaden jeder zehnte Haushalt Leistungen nach Hartz IV, davon betroffen sind 13,2 Prozent der Bevölkerung. Sozialdezernent Hessenauer spricht von einer hohen Zahl von Leistungsbeziehern in einer ansonsten reichen Stadt. Zurückzuführen sei dies auch darauf, dass hier überdurchschnittlich viel allein Erziehende wohnen. Ferner müssten viele, die aus der Langzeitarbeitslosigkeit heraus wieder einen Job finden, wegen der vergleichsweise hohen Mieten dennoch ergänzende Sozialhilfe beantragen, weil der Lohn nicht zum Leben reicht.

Nach Angaben des Sozialdezernates führen 80 Prozent der erfolgreichen Arbeitsvermittlungen nicht zu einem Ende der Abhängigkeit von Leistungen nach Harz IV. Im Moment sind dies in Wiesbaden 5 600 Personen. Damit habe jeder vierte Hartz-IV-Bezieher Arbeit. Diese Quote liege über der anderer Städte.

Franz Betz, Leiter des Amtes für soziale Arbeit, äußerte in diesem Zusammenhang nachdrücklich den Wunsch, dass es in Wiesbaden wieder in nennenswertem Umfang geförderten Wohnungsbau geben muss. Dies aber stehe derzeit nicht im Mittelpunkt der Kommunalpolitik.

Bei alledem ist das Sozialdezernat stolz auf seine Vermittlungserfolge. Es sei in Wiesbaden im vergangenen Jahr gelungen, 6 000 Langzeitarbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Das seien 35,6 Prozent all jener, die dem Arbeitsmarkt auch tatsächlich zur Verfügung stehen. Damit habe man die Vermittlungsquote im vergangenen Jahr verdoppeln können. Anfang 2006 waren 14 848 Menschen arbeitslos gemeldet, Ende des Jahres nur noch 12 435.

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