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Freitag, 5. Juni 2009

Schimpfwörter - muss das sein!

Auf dem Schulhof hört man gelegentlich kindliche Aussprüche, die einem die Haare zu Berge stehen lassen, wenn man denn über solche verfügt. Befragt man zwei Streithähne nach dem Grund für ihre Auseinandersetzung, bekommt man ebenfalls beachtliche Kraftausdrücke zu hören, deren Gebrauch Erwachsene vor den Kadi bringen würden. Und immer wieder suchen ratlose oder entsetzte Eltern die Schulleitung auf, um sich über das "asoziale" Verhalten von Kindern zu beschweren.
Also genug Grund, das Thema Schimpfwörter in den blog zu stellen und eine gemeinsame Diskussion zu eröffnen.

Als erste Grundlage für einen möglichen Austausch per Internet kann ein Artikel von Bettina Levecke sein, den ich unter diesem Link fand.

Wo Kinder sind, fallen Schimpfwörter. Beim Fangen spielen wird gefoppt und geärgert, beim Streiten um die Legosteine beschimpft und beleidigt. Auf dem Schulhof gehört ein Repertoire an gepfefferten Ausdrücken in vielen Situationen zum „guten Ton“ – kurz: Schimpfwörter gehören zur Kindheit und zur Jugendkultur genau wie das Fahrrad fahren und Sticker sammeln.
Für Erwachsene ist diese Tatsache oft nur schwer zu tolerieren. Wir zucken zusammen, wenn die eigenen Kinder sich gegenseitig als „Arschloch“ bezeichnen und können nur selten mitkichern, wenn tuschelnde Kinder wieder neu ausgedachte Kraftausdrücke vorstellen. Der unbefangene Umgang mit diesen Wörtern ist uns entfallen, unser Werte- und Normensystem verbietet es uns, diese Worte als Ausdruck unseres Empörens jedermann an den Kopf zu feuern. Doch alle Versuche, den Kindern die Lust am Schimpfen auszutreiben, scheitern. Immer wieder sprudeln sie aus den Kindermündern und so rechte Reue mag selbst bei Ermahnungen à la „Das sagt man nicht!“ auftreten.

Was ist toll an Schimpfwörtern?

Schimpfwörter eröffnen Kindern eine neue Welt, um sich abzugrenzen und auszutesten. Bereits kleine Krabbelkinder schreien, wenn die Mutter sie auf ihrer Entdeckungstour unterbricht. Mit dem Spracherwerb können Kinder nun ihrem Unmut direkten Ausdruck verleihen – Schimpfwörter werden nun benutzt, um klar zu machen: Mir passt das nicht! Oft werden dann auch Eltern Zielscheibe der verbalen Angriffe.
Cornelia Nitsch, Autorin des Buches „Das Lexikon für Eltern“ schreibt dazu: „Setzen sie ihrem Nachwuchs Grenzen, werden Mütter und Väter gerne als Spießer, Angsthasen oder Kleinkrämer abqualifiziert. Nicht nur das, häufig werden sie darüber hinaus rüde beschimpft als „blöde Heinis“, „Zicken“ oder „Hornochsen“. Diese Schimpftiraden, so verletzend sie auch sein mögen, sind meistens nicht persönlich gemeint. Sie richten sich allgemein gegen Mütter und Väter, gegen diese Oberbesserwisser, die sich dauernd übermächtig da einmischen, wo sie nichts zu suchen haben, so die Sicht des Nachwuchses.“

Auch in Kindergarten und Schule sind Schimpfwörter ein Mittel zur Abgrenzung. Dabei gilt oft: Je kreativer das Schimpfwort, desto effektiver die Wirkung. Kinder müssen erst lernen, sich mit sachlichen Worten zu wehren, sinnvoll zu argumentieren. Für einen klärenden Dialog zwischen zwei Achtjährigen fehlt auch einfach die Zeit – ein Schimpfwort sagt da einfach mehr als tausend Worte. Zudem bewerten Kinder Schimpfworte längst nicht so negativ, wie Erwachsene es tun. Ein verbaler Streit ist schnell wieder vergessen, der Klassenkamerad, der eben noch ein Blödmann war, ist zehn Minuten später schon wieder der beste Freund.
„Ja, aber wie sollen Kinder denn dann lernen, sich vernünftig auseinanderzusetzen…?“ mag jetzt mancher denken. Sie werden es lernen, durch das Vorbild von Eltern und Lehrern – doch das braucht Zeit und Reife und langfristige Erziehungsarbeit.

Wenn Kinder ihre Eltern beschimpfen

Irgendwann ist es soweit: Ein Schimpfwort wird gegen die Eltern gerichtet. In aller Regel ist die Basis hierfür eine spontane Reaktion auf eine Ungerechtigkeit. Wenn der Vater den Fernseher mitten in der gespannt verfolgten Fernsehserie einfach ausknipst oder die Nachmittagsverabredung mit dem besten Freund von der Mutter ohne ersichtlichen Grund verboten wird. Es gibt viele Situationen, die Kinder von einer Sekunde auf die andere furchtbar wütend, ärgerlich oder traurig machen und aus dem Affekt heraus wird nun scharf geschossen: „Mama, du bist eine blöde Kuh!“ oder schlimmer: „Ich find dich total scheiße!“
Eltern sollten nun nicht zurückschimpfen, aber dennoch eine klare Grenze setzen. Der verbale Ausfall gegenüber den Eltern, mag er auch noch so verständlich sein, darf nicht stillschweigend geduldet werden.
Fragen Sie Ihr Kind: „Warum beschimpfst du mich?“ So können Kinder erklären, warum sie so wütend geworden sind. Eltern sollten dann ruhig Einsicht zeigen: „Ich verstehe dich, ich hätte erklären sollen, warum ich die Verabredung heute Nachmittag verboten habe.“ Zeigen Sie aber unbedingt ihre Gefühle: „Es macht mich traurig/ Es verletzt mich, wenn Du mich beschimpfst.“ Kleine Kinder wissen häufig überhaupt nicht, was die Worte bedeuten, die sie in ihrer Wut oder vielleicht auch einfach aus Provokation benutzen. Versuchen Sie, Ihrem Kind die Bedeutung des Wortes zu vermitteln: „Das ist ein gemeines Wort, dass andere Menschen traurig macht.“ Hilfreich ist es auch, den Kinder einen Spiegel vorzuhalten: „Würdest du es witzig finden, wenn ich dich so beleidige?“
Kinder müssen die Wirkung von Wörtern erst lernen, ebenso die Bedeutung von Verletztheit und Schamgefühlen. Dafür braucht es Zeit, Verständnis und viele Gespräche.

5 Regeln für den Umgang mit Schimpfwörtern


1. Eltern sollten als Vorbild für ihre Kinder so weit es möglich ist, auf Schimpfwörter verzichten. Wenn Eltern in turbulenten Situationen fluchen oder in Streitsituationen Schimpftiraden auf ihr Gegenüber loslassen, werden die Kinder es nicht anders handhaben.
2. Bleiben Sie gelassen, wenn der Nachwuchs sie beleidigt. Je mehr sie sich über eine Beschimpfung aufregen, desto mehr Gewicht verleihen Sie der Wirkung des Schimpfwortes.
3. Machen Sie in wenigen Sätzen klar: „In diesem Haus wird so nicht geredet. Wenn dir etwas nicht passt, musst du es ohne Schimpfwörter mit uns klären.“
4. Zeigen Sie Alternativen auf: „Du erreichst viel mehr, wenn du freundlich bist.“ Auch kleine Rollenspiele unter Geschwisterkindern können schnell aufzeigen, dass Schimpfwörter für einen Konflikt nicht förderlich sind.
5. Richten Sie eine feste Schimpfzeit ein: Für fünf Minuten dürfen alle schimpfen und fluchen, was das Zeug hält. Danach ist Schluss.

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